Kritik zum Artikel „Am Ende der Show“

Artikel von Jakob Biazza, Daniel Drepper, Sebastian Erb, Laura Hertreiter, Lena Kampf und Ralf Wiegand vom 2. Juni 2023 (Süddeutsche Zeitung), https://archive.ph/177SR [25.10.2023].

Bereits die Einleitung ist interpretativ und spekulativ (-> „wohl dazu dient“, „möglich“, „mutmaßlich“).

Dass es Frauen gibt, deren subjektive Wahrnehmung und Erlebnisse die interpretative Schlussfolgerung eines „Systems“ zulassen, ist möglich. Dass es zahlreiche Frauen gibt, deren subjektive Wahrnehmung und Erlebnisse diese Schlussfolgerung aus guten Gründen nicht zulassen und die im Rahmen der Recherchen für diesen Artikel abgewiesen wurden, ist eine Tatsache.

Zudem zeichnen die gewählten Formulierungen schon zu Beginn ein scharf zu kritisierendes Frauenbild ab, welches an dieser Stelle als grundsätzlich passiv und leicht zu beeinflussen charakterisiert werden kann (-> „Verführung“). Dies kann als Bestandteil eines spezifischen Narrativs gewertet werden, welches sich durch den gesamten Bericht zieht.

Es gibt keinerlei Hinweis auf ein „optisches Schema“ (welches im Übrigen im Text auch nicht näher beschrieben wird und sich so vollständig einer Nachprüfung entzieht), nachdem Frauen „ausgewählt“ worden seien. Die Diversität unter uns erwachsenen Frauen und unseren individuellen körperlichen Merkmalen war mannigfaltig.

Diese durch gelb hervorgehobene Spekulation ist durch das spezifische Frauenbild, welches den Lesenden über uns vermittelt wird, geprägt. Klischeehaft weibliche Scheuheit, Charakterschwäche und Hilflosigkeit werden angedeutet. Ein Satz hingegen, dass unter uns Frauen regelmäßig ein großes Gemeinschaftsgefühl geherrscht hat, man grundsätzlich aufeinander Acht gegeben hat und bei den Feiern (und in der „Row Zero“) stets Security-Mitarbeitende in unmittelbarer Nähe waren, wodurch Situationen der Unsicherheit und eines möglichen Kontrollverlusts Einzelner bereits im Voraus entgegengewirkt wurde, fehlt gänzlich.

Es gibt keine Beweise, Indizien oder auch nur Hinweise darauf, dass jemals K.-o-Tropfen oder ähnliche Drogen bei Rammstein- oder Lindemann-Partys verabreicht wurden. Der oft repetierte Verweis auf das Gedicht „Wenn du schläfst“ soll den Lesenden trotzdem einen denkbaren Zusammenhang mit der Vermutung Lynns liefern. Die ethische Legitimität im Rahmen einer Verdachtsberichterstattung solche Verbindungen ohne echte Beziehung zueinander zu kreieren, ist zweifelhaft. Im Besonderen, da ironisch zu verstehende Begriffe wie „Abschlussprüfung“ und „Lindemann-Versteher“ in derselben Passage verwendet werden, wie der zutreffende und (hoffentlich) ernst gemeinte Hinweis, dass das lyrische Ich in einem Gedicht nicht mit der verfassenden Person gleichzusetzen ist.

Generell werden durch einige Formulierungen und für die aktuelle Thematik irrelevante Textabschnitte die Objektivität und Neutralität des Artikels deutlich eingeschränkt. Eine sachlich-distanzierte Berichterstattung ist bei einer Verdachtsberichterstattung jedoch essentiell.

Der gelb markierte Satz ist zumindest missverständlich. Laut eigenen Angaben hat Shelby Lynn zuerst mit Alëna Makeeva Kontakt aufgenommen und sie über Instagram angeschrieben. „Gezielt ausgewählt“ ist also auch in diesem Kontext unzutreffend.

Es bleibt fraglich, warum zwar hier auf die Blutergüsse verwiesen wird, in den Anmerkungen der Redaktion sich jedoch kein Hinweis auf das rechtsmedizinische Gutachten, welches die Blutergüsse mit hoher Wahrscheinlichkeit in keinem Zusammenhang mit Fremdeinwirkung sieht, finden lässt. Unverständlicherweise fehlen hier zudem Berichte über die Aussagen mehrerer Frauen, die den Abend mit Lynn verbrachten und wesentliche Teile ihrer Schilderungen infrage stellen sowie mögliche Alternativerklärungen, die für Symptome wie Gedächtnisverlust, Übelkeit und Kopfschmerzen verantwortlich sein können. Zu den Kriterien legitimer Verdachtsberichterstattung gehört jedoch schließlich, dass auch über die zur Verteidigung des Beschuldigten vorgetragenen Tatsachen und Argumente berichtet werden.

Zu 1.: Dieser Abschnitt könnte implizieren, dass Rammstein oder Till Lindemann es gerne verhindert hätten, dass Erfahrungsberichte geteilt werden. Die Erfahrungsberichte werden nicht näher beschrieben (-> positiv, negativ, neutral?), durch die einleitende Bemerkung wird eine negative Konnotation jedoch unterschwellig vermittelt. Dies so zu schreiben ist äußerst manipulativ, bedenkt man auch die hunderten rein positiven Erfahrungsberichte, die online geteilt wurden, und die vielen misslungenen Versuche von uns Frauen, sich bei Journalist*innen ebenso Gehör zu verschaffen.

Zu 2.:

  • Die ungenaue Mengenangabe „zahlreich“ verschweigt dabei die Tatsache, dass zudem deutlich mehr Frauen für die Recherchen zu diesem Artikel abgewiesen wurden, sofern ihre Erfahrungen positiv waren.
  • „Teils schwere Vorwürfe“ beschreibt eine eindeutige Wertung, ohne deutlich zu machen, ob diese juristisch oder moralisch gemeint ist.
  • Es darf streitig gemacht werden, inwiefern der Hinweis, einige Frauen haben ihre Angaben „an Eides statt“ versichert, überhaupt relevant ist in Anbetracht der Tatsache, dass die Identitäten der Frauen, die berichtet haben, auch der Staatsanwaltschaft gegenüber bis heute unbekannt blieben. Rechtliche Konsequenzen für die Frauen im Falle einer möglichen falschen Versicherung an Eides statt (§ 156 StGB) bleiben damit ausgeschlossen. Einige Frauen waren offenbar trotzdem nicht bereit, ihre Angaben an Eides statt zu versichern.

Zu 3.:

  • „Die Schilderungen“ ist verallgemeinernd und damit schlichtweg falsch, da vielzählige Schilderungen, sofern ein paar der positiven Erfahrungsberichte zumindest gelesen wurden, obgleich ohne sie abzudrucken, sehr wohl das Werturteil „Romantik“ zulassen können.
  • Auch hier kritisieren wir wieder scharf die frauenverachtende Ausdrucksweise der Journalist*innen, die uns Frauen hier erschreckenderweise zu nichts weiter als Sexobjekten degradiert, mit denen man jemanden „versorgen“ könne.
  • Erneut weisen wir den Vorwurf zurück, wir seien nach „optischen Kriterien“ ausgewählt worden (siehe Kritik weiter oben).
  • Die spekulative Sprache manipuliert die Lesenden so, dass ihr Fokus auf potenzielle sexuelle Handlungen gelenkt wird, während gleichzeitig das Bild von passiven, naiven und verschüchterten Mädchen geschaffen wird, die man mit Alkohol „versorgt“ hat, oder die einer anderen Person „zugeführt“ wurden. Eine solche Darstellung über uns ist anmaßend und misogyn. Umso wichtiger an dieser Stelle zu betonen: Sexuelle Handlungen standen zu keinem Zeitpunkt im Vordergrund und waren nie Voraussetzung, um weiterhin eingeladen zu werden. Auch wurden wir nie zu Alkoholkonsum gedrängt oder überredet.

Zu 4.: Anhand der bereits formulierten und noch folgenden Kritik ist es offensichtlich, dass diese Hinweise wichtig waren, ihnen jedoch kaum Beachtung geschenkt wurde.

Es ist schockierend, dass die Recherchen so unsauber und mangelhaft ausgefallen sind, dass den an diesem Artikel beteiligten Journalist*innen scheinbar nicht ersichtlich geworden ist, dass Alëna Makeeva bereits seit mehreren Jahren Casting-Direktorin für Musikvideos von Till Lindemann ist, was diese Bezeichnung rechtfertigt. Es erklärt jedoch, wie überhaupt das Gerücht eines „Casting-Systems“ für die „Row Zero“ und/oder die Pre- und After-Show-Partys entstehen konnte. Durch grobe Fahrlässigkeit wurde so ein Zusammenhang zwischen diesem Titel und Makeevas Engagement betreffend der ganzheitlichen „Row Zero“-Erfahrung der Welt vorgetragen.

Die Berichterstattung zu Makeeva im Übrigen ist diffamierend, schließlich beschränkt es sich fast ausnahmslos auf ihr Sexualleben, auf eine Art und Weise, welche Slutshaming darstellt. Die Quellenangaben in den ersten drei Abschnitten dazu bleiben diffus, Genaueres nicht weiter nachvollziehbar. Anschließend werden spekulative Andeutungen in Bezug auf Rammstein und Till Lindemann gemacht, um auch hier eine sexuelle Deutung den Lesenden zu erleichtern, ohne diese direkt zu benennen und so keine falsche Tatsachenbehauptung zu tätigen. Dabei entsteht unterschwellig ein Bild, welches Makeeva fast schon als „Zuhälterin“ dastehen lässt, was gegenüber ihr und uns Frauen ehrverletzend und falsch ist.

Der gesamte Abschnitt unterstellt „der Gegenseite“ (generalisiert als „Rammstein-Fans“ und sonst niemand bezeichnet) ein unreflektiertes Denken und Vorgehen (-> „sofort die Front geschlossen“), wobei diese keine Argumente liefert, sondern Lynns Bericht zwar akzeptiert, aber gleichwohl bagatellisiert. Der Artikel untergräbt damit die berechtigten Zweifel und Kritikpunkte an den Darstellungen und dem weiteren Handeln Lynns (siehe oben; wir verweisen zudem auf den offenen Brief auf dieser Website für mehr Details dazu) und ignoriert allgemein auch all die Menschen, die lediglich auf vernunftbasierte Grundprinzipien verweisen, wie beispielsweise, dass Schuld und nicht Unschuld in einem demokratischen Rechtsstaat bewiesen werden muss.

Nicht nur, dass die hunderten, teils seitenlangen Erfahrungsberichte auf „Sei alles super gewesen, tolle Party“ reduziert werden, so wird selbst das noch versucht herabzuwürdigen, indem darauf hingewiesen wird, dass Makeeva eine entsprechende Aufforderung über WhatsApp geteilt hat. Die Betonung in der Chatnachricht liegt im Übrigen auf „Wahrheit“. Es mag die Journalist*innen dieses Artikels vielleicht verwundern, aber nur weil eine Frau um ihre Mithilfe gebeten wird, bedeutet dies nicht, dass sie so fremdbestimmt oder unterwürfig ist, dass sie dem blind und automatisch nachkommt. Allein die über 100 gesammelten Unterschriften unseres offenen Briefes (Stand: 24.10.2023) sollten Beleg genug sein, dass wir Frauen unsere Statements selbstbestimmt verfasst und veröffentlicht haben und nach wie vor zu diesen stehen.

Es gab und gibt immer noch kein „System“. Das hier dargestellte Narrativ mag dies nahelegen, die Realität bildet es trotzdem nicht ab. Es ist repetitiv, aber auch an dieser Stelle wieder wichtig: Sexuelle Handlungen standen zu keinem Zeitpunkt im Vordergrund und waren nie Voraussetzung, um weiterhin eingeladen zu werden.

Dass bei der Schilderung des Handelns „anderer Promis“ die Betonung auf „einvernehmlich“ liegt, könnte als Hervorheben eines möglichen Unterschieds gedeutet werden, was eine Vorverurteilung darstellen könnte beziehungsweise diese erleichtert.

Es gab und gibt auch immer noch kein „Casting“ und dementsprechend auch keine „Casting-Regeln“. Wie eine solche Idee überhaupt entstehen konnte, wurde bereits erörtert (siehe oben). Von „Fotobewerbungen“ kann demnach ebenso nicht gesprochen werden. Für eine Bewertung der „Kleiderordnung“ wird auf unseren offenen Brief verwiesen.

Obwohl hier also deutlich gemacht wird, dass Empfänger und Zweck unbekannt sind, wurde an anderen Stellen des Artikels haltlos spekuliert, diese könnten einer möglichen sexuellen Rekrutierung dienlich sein oder als „Fotobewerbung“ einen Bestandteil eines sexuell motivierten Casting-Systems darstellen.

Des Weiteren müssten an dieser Stelle sehr deutlich die überspitzten Aussagen ihrer Quellen entsprechend aufgeteilt werden (was bezieht sich auf „Chatnachrichten“ von wem an wen genau und was auf „Erinnerungsberichte“).

  • Der Satz „Handy behalten? Sorry, you have to go“ ist falsch! Es gab auf den Pre- und After-Show-Partys einen abgetrennten Bereich, bei dem die Handys an einem gut sichtbaren Ort aufbewahrt wurden, was unserer Einschätzung nach ebenso zum Schutz der Privatsphäre Lindemanns wie auch uns Gästen diente. Es bestand jederzeit die Möglichkeit, außerhalb dieses Bereichs die Handys problemlos (!) uneingeschränkt zu benutzen.
  • Unseres Wissens nach gab es auch nie einen Fall, indem einer Frau mitgeteilt wurde, wenn sie sich nicht umziehe, müsse sie gehen. Der Dresscode war immer sehr variabel und es war uns wichtig, dass wir uns in unserer Kleidung wohlfühlten.
  • Grundsätzlich war es auch möglich, mit einer Freundin zu kommen (ob das Wort „Freund“ geschlechtsspezifisch gemeint ist, ist nicht vollkommen klar).
  • Wir wurden nie zu Alkoholkonsum (oder sonstigem Drogenkonsum) gedrängt oder überredet. Für genügend Wasser und Softdrinks wurde stets gesorgt.

Wieso zahlreiche Frauen, die mehrfach in der „Row Zero“ beziehungsweise backstage waren und ihre positiven Erfahrungsberichte teilen wollten, im Rahmen der Recherchen für diesen Artikel abgewiesen wurden, die Aussagen dieser Frau jedoch (wobei aus Mangel an eigener Erfahrung nicht einmal von einem Erfahrungsbericht die Rede sein kann) sogar abgedruckt wurden, ist für uns unbegreiflich und nicht nachvollziehbar. Ihre Schilderungen enthalten keinen rechtlich relevanten Vorwurf. Zum Vergleich eine exemplarische Nachricht einer Frau, die abgewimmelt wurde:

Das Lindemann-Konzert in Köln war am 06. Februar 2020. Die Frage, ob Jessica B. mit Lindemann Weihnachten feiern würde (also ein Fest im Dezember), ist dementsprechend irritierend, wird aber nicht weiter hinterfragt.

Ihre Schilderungen enthalten keinen rechtlich relevanten Vorwurf.

Es sei dahingestellt, ob Makeeva diesen Kommentar betreffend des Alters tatsächlich gemacht hat. Es hätte jedoch keinen großen Recherche-Aufwand gebraucht, um schnell Gewissheit darüber zu erlangen, dass Lindemanns „Alterslimit nach oben“ nicht bei „Ende 20“ überschritten ist und hätte an dieser Stelle ergänzt werden müssen. Eine starke Voreingenommenheit und ein schwaches Interesse an Fairness und Neutralität der Autor*innen des Artikels wird erneut deutlich.

Dies kann als der einzige positive Erfahrungsbericht dieses Artikels angesehen werden. Doch auch hier ist die Art und Weise, wie dieser wiedergegeben wurde, kritikwürdig. Der Teil, der die Party näher beschreibt und der, der eine Berührung Lindemanns schildert, ist entgegen anderen Aussagen der als einzige namenlos gebliebenen Frau, nicht wörtlich, sondern zusammenfassend in indirekter Rede wiedergegeben. Die ersten beiden rot markierten Sätze sind für die Lesenden aufgrund des geschilderten Narrativs besonders distinkt, wodurch eine positive Wertung dieses Erfahrungsberichts sogar doch ein wenig erschwert wird.

Ihre Schilderungen enthalten keinen rechtlich relevanten Vorwurf.

Wir wurden nicht „rekrutiert“. Zu Handys wurde sich bereits geäußert (siehe oben).

Das Wort „aggressiv“ hätte zwingend erläutert werden müssen (-> verbal, mimisch, gestisch oder körperlich, gegen Objekte oder gegen Menschen?). Es wird versucht, Aussagen anderer Frauen, die Lindemann „gentlemanlike“ oder ähnlich beschreiben, zu untergraben, indem Lindemann à la Dr. Jekyll und Mister Hyde noch eine andere, „aggressive“ Seite unterstellt wird.

Auch hier soll den Lesenden unterschwellig vermittelt werden, dass Lindemann mit den Frauen sexuellen Kontakt hatte, nicht umsonst wird auf das Lied, „in dem es nur um Sex gehe“, verwiesen. Trotzdem nichts weiter als reine Spekulation.

Ihre Schilderungen enthalten keinen rechtlich relevanten Vorwurf.

Die beiden Passagen sind allgemein rein spekulativ und manipulativ verfasst worden. „Kontrolle zurückgewinnen“ beispielsweise setzt voraus, diese bereits zuvor verloren zu haben.

Zu einer Einschätzung betreffend „Row Zero“, der Partys oder generell der Interaktionen mit Lindemann sollten sich in erster Linie wir Frauen äußern dürfen: Till Lindemann war uns gegenüber jederzeit höflich, respektvoll und dabei keineswegs aufdringlich oder forsch. Lindemann legt unserer Erfahrung nach bei jeglicher Interaktion mit ihm großen Wert auf Konsens. Auch waren sein Verhalten und die Rahmenbedingungen rund um „Row Zero“ unseres Erachtens nach stets so gehalten, dass eine Begegnung auf Augenhöhe zwischen ihm und uns Frauen stattfand. Beispielsweise lag der Fokus des Dresscodes darauf, dass kein Merch getragen werden sollte, auch um so die Stimmung eines Meet and Greets zwischen Künstler und Fan zu vermeiden. Ob eine Distanz zwischen Letzteren je vollständig überbrückt werden kann, darf streitig bleiben, jedoch wollen wir betonen, dass Lindemann seinen Status nie für seine eigenen Vorteile ausgenutzt hat. Von Machtmissbrauch kann dementsprechend unserer festen Überzeugung nach nicht gesprochen werden! Sexuelle Handlungen standen zu keinem Zeitpunkt im Vordergrund und waren nie Voraussetzung, um weiterhin eingeladen zu werden. „Unnahbar“ wirkt Lindemann in Interaktionen mit ihm ebenfalls nicht und auch ein „imposantes Gehabe“ kann ihm unserer Meinung nach nicht nachgesagt werden.

Was genau soll mit „inszeniertem Gruppendruck“ gemeint sein? Unter uns Frauen hat, wie bereits erwähnt regelmäßig ein großes Gemeinschaftsgefühl geherrscht, man hat grundsätzlich aufeinander Acht gegeben und tiefe Freundschaften untereinander sind entstanden.

Verneinungen oder Ablehnungen zogen allgemein keinerlei negative Konsequenzen nach sich. Man wurde trotzdem weiterhin eingeladen.

Bei den hier getroffenen Kommentaren der Journalist*innen handelt es sich zum einen um eine rechtliche Beurteilung, dass geschilderte (und nicht geschilderte) Erfahrungen mit Sicherheit rechtliche Relevanz aufweisen und zum anderen um einseitige Spekulationen, die ganz in Einklang mit dem vorgetragenen Narrativ stehen, wieso trotzdem nie bei der Polizei Anzeige erstattet wurde. Im Übrigen bis heute nicht trotz großer medialer und gesellschaftlicher Unterstützung sowohl immaterieller als auch finanzieller Art.

Der Artikel endet mit einer abschließenden Bemerkung, die weder auf die Unschuldsvermutung verweist noch sonst wenigstens neutral verfasst wurde, sondern vorverurteilend ist.

Zu den geschilderten Erfahrungsberichten von Kaya R. und Cynthia A. wird aus der Presseerklärung der Schertz Bergmann Rechtsanwälte vom 11.08.2023 gegen die Süddeutsche Zeitung und den NDR (www.tagesschau.de) zitiert: „Mit einstweiliger Verfügung des Landgerichts Hamburg vom 10.08.2023 (Az. 324 O 273/23) wurde dem Sender untersagt, den Verdacht zu erwecken, Till Lindemann habe mit den zwei Frauen, die im streitgegenständlichen Artikel mit „Cynthia A.“ und „Kaya R.“ benannt wurden, sexuelle Handlungen vorgenommen, denen diese nicht zugestimmt hätten. Auch in diesem Fall stützt das Gericht seine Entscheidung auf das Fehlen eines für eine Verdachtsberichterstattung hinreichenden Mindestbestandes an Beweistatsachen. Soweit es um die Schilderungen von „Cynthia A.“ gehe, gelte dies bereits deswegen, weil sie in ihrer eidesstattlichen Versicherung ausdrücklich erklärt habe, dem Sex mit dem Antragsteller zugestimmt zu haben. In Bezug auf „Kaya R.“ reiche die eidesstattliche Versicherung nicht aus, um den Verdacht erheben zu können, sexuelle Handlungen seien ohne ihre Zustimmung erfolgt. Das Gewicht der eidesstattlichen Versicherung sei bereits dadurch eingeschränkt, dass die Zeugin erkläre, ihre Erinnerungen seien lückenhaft. Aufgrund der eingeräumten Erinnerungslücken trage die Schilderung allein nicht den schwerwiegenden Verdacht, es habe eine Zustimmung zum Sex nicht gegeben. Dies gelte umso mehr, als die Berichterstattung das Vorliegen der Erinnerungslücken nicht erwähne, so dass Leserinnen und Leser sich kein zutreffendes Bild über das Gewicht des Verdachts machen könnten. Weitere Anhaltspunkte, die für den erweckten Verdacht sprechen könnten, lägen nicht vor. Sie ergäben sich auch nicht aus den eidesstattlichen Versicherungen der Redakteure. Vom gerichtlichen Verbot umfasst sind auch hier weite Teile der von den beiden Frauen erhobenen Vorwürfe.“1

Die Kritik zum Artikel „Am Ende der Show“ und der Arbeitsweise der daran beteiligten Journalist*innen ist ausführlich, aber nicht abschließend zu verstehen.

  1. https://www.presseportal.de/pm/62754/5578607 [24.10.2023] ↩︎